Skip to main content

Evangelisch-methodistische Konturen

von Bischof i.R. Walter Klaiber (mit freundlicher Genehemigung)

Evangelisch

nennen wir uns, weil wir dem Evangelium verpflichtet sind. Evangelium ist die gute Nachricht dass Gott den Menschen in Jesus Christus ganz nahe gekommen ist. Wir sind nicht allein in Angst und Schuld, in Leid und Tod. Gott hat sie in Jesus auf sich genommen. Evangelisch sind darum alle, die glauben und verkünden, dass Gott die Menschen ohne Vorbedingung annimmt.

Methodistisch

heißen wir, weil wir zur methodistischen Bewegung gehö­ren. Sie wurde durch die Brüder John und Charles Wesley im 18. Jahrhundert ange­stoßen und hat sich über die ganze Welt ausgebreitet. "Methodisten" war zunächst wohl ein Schimpfwort und kennzeichnete den ernst­haften und konsequenten Lebenswandel der Gründerbewegung. Inzwischen wurde das Wort zum "Markenzeichen" einer Kirchenfa­milie, zu der sich weltweit etwa 70 Millionen Menschen zählen.

Konturen

wollen wir zeigen, weil sich die Evangelisch-methodistische Kirche von anderen Kirchen nicht durch Sonderlehren unterscheidet, die niemand außer ihr hat, sondern durch das Profil ihrer Verkündigung und ihres Lebens. Es ist geprägt von der Er­kenntnis Wesleys, dass das Wesen und der Inhalt des Christentums Liebe ist. Die Einladung, Gottes Liebe für sich persönlich anzunehmen, die Anleitung, sie anderen in Wort und Tat nahe zu brin­gen, die Hoffnung auf die Vollendung dieser Liebe und das Leben in einer verbindlichen Gemeinschaft von Christen und Gemeinden gehören zu den prägenden Zügen dieses Profils.

Als Christen sind wir immer unterwegs. Paulus schrieb einmal an  Leute, die meinten, schon am Ziel mit ihrem Glauben zu sein: "Ich meine  nicht, dass ich schon vollkommen bin und das Ziel erreicht habe." (Phil  3,12). Aber es gibt ein weit verbreitetes Missverständnis dieser Worte. Paulus sagt nicht, als Christ habe man sich mit allen Unzulänglichkeiten seines Christseins abzufinden. Sein Satz geht weiter: "Ich laufe aber  auf das Ziel zu, um es zu ergreifen, nachdem Jesus Christus von mir  Besitz ergriffen hat."
Christsein ist zielorientiert. Dies war für  John Wesley eine entscheidende biblische Erkenntnis. Das Ziel ist der  Ruf in die Gemeinschaft mit Gott. Damit ist auch der Weg zum Ziel  vorgezeichnet: Es sind die Schritte, die in Gottes Liebe hineinführen -  in ihre Bedeutung für mich und in ihre Auswirkung für andere!
Alles  ist Gnade im Leben des Christen. Aber Gnade ist mehr als immer nur neue  Vergebung für unser Versagen. Gottes Gnade will uns mit Gottes Liebe  erfüllen und uns durch sie zu einem Leben für andere befähigen. Wirksame  Gnade ist darum gelebte Gnade, die sich herausfordern lässt durch die  Aufgaben, die sich uns stellen, und die die Kraft der Liebe Gottes dafür  in Anspruch nimmt. In biblischer Sprache heißt dies "Heiligung". Leben  in der Gemeinschaft Gottes, Leben mit dem Ziel, diese Gemeinschaft zu  vertiefen, bis sie in der Ewigkeit ihre vollkommene Gestalt findet.

"Gott will, dass allen Menschen geholfen werde" - dieses biblische Wort hat für die methodistische Bewegung eine entscheidende Bedeutung  gehabt.
Es ist Protest gegen alle Einschränkung des Heilswillens Gottes auf einen Kreis von Erwählten oder Frommen, und zugleich Signal zum Aufbruch  zu den Menschen, die Gottes Hilfe am nötigsten brauchen. Es beschreibt  den Auftrag der christlichen Kirche, die rettende Botschaft von der  Liebe Gottes allen Menschen zu verkündigen und ihnen mit Taten  praktischer Hilfe diese Liebe spürbar werden zu lassen.

Der Weite und der Tiefe dieses Auftrags gerecht zu werden, war von Anfang an ein  Anliegen der methodistischen Bewegung. Die Einladung zum Leben mit Gott  in großen Versammlungen und das persönliche Gespräch mit einem Nachbarn  über dessen Sorgen und inneren Nöte, die Hilfe für Notleidende in der  nächsten Umgebung und die Entsendung von Missionaren oder Mitarbeitern  in ferne Länder, das politische Engagement gegen Ungerechtigkeit in der  Gesellschaft und die seelsorgerliche Begleitung von Gefangenen, Kranken  und Sterbenden gehörten immer zu den Merkmalen der Arbeit methodistischer Kirchen.

Sie sind ihrem Auftrag nicht immer so  gerecht geworden wie im Kampf gegen die Sklaverei oder in der  missionarischen Gesinnung ihrer Arbeit im letzten Jahrhundert. Aber die  umfassende Weite des Auftrags gehört zu ihrem unveräußerlichen Erbe, das  immer wieder neu verpflichtet.

Wo es um Liebe geht, wird es immer ganz persönlich. Das gilt auch für  die Liebe Gottes. Die Bibel sagt: Gott hat die ganze Welt geliebt, als  er Jesus in sie sandte. Das ist keine allgemeine Wahrheit das gilt uns  persönlich!
Der Aufbruch der methodistischen Bewegung begann dort, wo Wesley und  seine Freunde erlebten: Gott liebt mich, so wie ich bin. Nicht meine Tüchtigkeit, meine Frömmigkeit oder mein Erfolg rechtfertigen mich. Mein Versagen, meine Schuld oder meine vermeintliche Wertlosigkeit  verurteilen mich nicht. Gott gibt durch seine Liebe meinem Leben Sinn  und Wert.
Sie entdeckten aufs Neue die Wahrheit der paulinischen Aussage: Durch  Glaube gerettet. Wer ja sagt zum Geschenk des Lebens aus Gottes Hand,  der findet den Halt für das Leben, den wir Tag um Tag brauchen, und er  erfährt die Gewissheit der unverbrüchlichen Gemeinschaft mit Gott, die  auch im Tod nicht zerbricht, sondern durch ihn hindurch zur Vollendung  führt.
Es gehört zum Wesen evangelisch-methodistischer Verkündigung, immer  wieder Menschen zu diesem persönlichen Ja einzuladen und ihnen zu sagen:  Dein ja ist Antwort auf Gottes ja zu dir, das er in Jesus Christus  schon lange ausgesprochen hat, und das dir gilt, so wie du bist, und das  helfend und heilend bis in die Wurzeln deiner Existenz hinein wirkt.

Menschliches Leben braucht Gemeinschaft, ein verlässliches, tragfähiges Miteinander von Menschen. Dies gilt auch für das Leben von Christen. Eines der Kennzeichen der methodistischen Bewegung war deshalb von Anfang an der Ruf zur verbindlichen Gemeinschaft.Für alle, die ernstlich nach Hilfe von Gott fragten, wurden Formen der Gemeinschaft gesucht, durch die die Verpflichtung und Verantwortung füreinander wahrgenommen werden konnte. Wichtig war immer die Gemeinsamkeit, in der es Offenheit und Geborgenheit möglich machten, den wirklichen Nöten des Lebens zu begegnen.

Aus diesem Bemühen heraus entstand ein "Verbundsystem" von Gemeinschaftsformen, die für den Methodismus überall in der Welt kennzeichnend sind: Seelsorgerliche Kleingruppen bilden die Zellen überschaubarer Gemeinden, Gemeinden sind zusammengeschlossen zu Bezirken, diese wiederum zusammengefasst in Jährlichen Konferenzen, die die Verantwortung für die gesamtkirchliche Arbeit tragen. So wird versucht, gemeinsame Verantwortung auf allen Ebenen zu leben.

Die Evangelisch-methodistische Kirche ist eine Freikirche. Das ist das Gegenteil von Unverbindlichkeit. Kirchenglied wird man durch das Ja zur Botschaft Jesu und zum Auftrag der Kirche; wer beitritt, verpflichtet sich, die Arbeit nach besten Kräften zu unterstützen - der Verzicht auf Kirchensteuer ist also kein Votum für eine billige Kirche, sondern für die persönliche Verantwortung.